Starks-Sture Verlag

manuela roeselDr. med. Frank Köhnlein

geboren 1967 in Stuttgart, ist Facharzt für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie, seit 2018 mit eigener Praxis.

Nach dem Medizinstudium in Tübingen war er mehrere Jahre in der Erwachsenenpsychiatrie und -psychotherapie am Bodensee und in der Schweiz tätig. Seit 2002 lebt er mit seiner Familie in Basel. Dort war er 16 Jahre lang Oberarzt an der Kinder- und Jugendpsychiatrischen Universitätsklinik.

Seine Arbeitsschwerpunkte sind Kinderschutz, Selbstverletzungsverhalten, Humor in der Psychotherapie sowie die Provokative Therapie nach Frank Farrelly.

Neben seiner Tätigkeit in eigener Praxis arbeitet Köhnlein als Hochschuldozent, Supervisor und Fachberater bei Behörden und unterstützt Präventionsprojekte für psychische Gesundheit. Er hält Vorträge und veröffentlicht Fachbeiträge zu verschiedenen Themen aus dem Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie.

Köhnleins Romane "Vollopfer" (2013) und "Kreisverkehr" (2015), die seine Arbeit als Kinder- und Jugendpsychiater widerspiegeln, erzielten in der Schweiz beachtliche Verkaufszahlen und fanden eine breite mediale Aufmerksamkeit.

2022 sind die beiden Titel in einer überarbeiteten und ergänzten Neuauflage gemeinsam mit dem neuesten Roman „Krankmachen“ im Starks-Sture Verlag in Deutschland erschienen.

In einem Interview mit der ZEIT erklärt Köhnlein: "Erfunden ist nichts, was ich schreibe. Schon gar nicht übertrieben. Man kann gar nicht so krude Dinge erfinden, wie die, die sich in der Wirklichkeit ereignen."

Weitere Informationen zum Autor und zu den Büchern:

https://frankkoehnlein.blogspot.com/

https://www.instagram.com/der.hepp/

 

6 Fragen an den Autor

1. Der Protagonist Paul Hepp ist Kinder- und Jugendpsychiater und wird in den Hepp-Büchern nicht näher beschrieben. Warum? Und würden Sie uns den sympathischen Arzt einmal mit Ihren Worten beschreiben?

Das stimmt, den Hepp muss man sich tatsächlich selbst vorstellen. Ich kann ihn leider auch nicht genauer beschreiben, ich habe ihn noch nie getroffen. Ich weiß nicht einmal, ob er wirklich sympathisch ist. Gut, grundsätzlich wahrscheinlich ja schon. Was wissen wir noch? Er fährt Fiat und trinkt gerne Kaffee. Und ein bisschen eigenartig ist er auch. Er sitzt beispielsweise mittwochs im Zoo bei den Affen und denkt über seine Patienten nach, und manchmal dreht er unzählige Runden im Kreisverkehr, weil es da so viele Entscheidungsmöglichkeiten gibt. Wahrscheinlich hat er von allen möglichen psychiatrischen Diagnosen so ein bisschen was. Sehr viel mehr weiß ich nicht über ihn. Keine Ahnung, was für Kleider er trägt, welche Frisur, falls überhaupt eine, ob er groß ist oder klein, athletisch oder teigig, dünn oder anders – ich bin da auch verloren. Obwohl: Ich habe natürlich schon ein Bild von meinem Hepp, aber das werde ich nicht verraten, sonst könnte ich ihn ja gleich so beschreiben – und der Reiz, dass jede und jeder sich einen Hepp selbst basteln kann, wäre dahin.

2. Sie sind selbst Kinder- und Jugendpsychiater. Sind die Hepp-Bücher autobiographisch?

Wären die Bücher streng autobiographisch, bräuchte ich entweder ein schnelles Pferd oder einen guten Scheidungsanwalt. Vermutlich beides. Die Heppromane sind keine Nabelschau, aber wenn ein Kinder- und Jugendpsychiater Romane über einen Kinder- und Jugendpsychiater schreibt, dann kann es durchaus vorkommen, dass da versehentlich etwas Eigenes hineinrutscht. Vielleicht sollte ich zukünftig lieber Bücher mit Kaminkehrern, Eventmanagern oder Hochseekapitänen schreiben, um mich nicht selbst zu verraten?

3. Was können wir von Dr. Hepp lernen? Werden die Leser verhaltensauffällige Kinder und Jugendliche nach der Lektüre mit anderen Augen sehen?

Das wäre doch schön. Als ich vor 20 Jahren als Arzt in der Kinderpsychiatrie angefangen habe, hatte ich ein Bild von Krankheiten und Störungen. Heute habe ich diese Bilder da, wo sie sinnvoll sind, natürlich auch noch. Ich habe aber bald gelernt, dass die „Störungen“ der verhaltensauffälligen Kinder und Jugendlichen in den meisten Fällen nicht „Krankheiten“ sind, sondern Lösungsversuche, Kompromisse, Notlösungen oder nicht selten auch einfach Reaktionen auf das, was die Kinder erleben. Wenn es dem Hepp gelingt, uns das vor Augen zu führen, dann werden wir uns mit den „gestörten“ und „kranken“ Kindern und Jugendlichen sehr schnell versöhnen, selbst wenn sie manchmal wirklich grotesken Unfug machen oder sich selbst oder anderen schaden.

4. Welche Leser möchten Sie mit Ihren Büchern erreichen?

Was für eine Frage! Alle. Hepp-Bücher kann jeder lesen. Die einen werden daraus etwas lernen, die anderen werden sich amüsieren, die nächsten wollen eine spannende Geschichte erlesen, die genau so passiert sein könnte, wieder andere interessieren sich für den Alltag eines Kinderpsychiaters, und dann gibt es die, die etwas über ihre eigenen Kinder erfahren wollen. Hepp kann man lesen, wenn einem langweilig ist, wenn man neugierig ist, wenn der „Tatort“ wieder mal zu schwierig ist oder aber zu flach. Es gibt sozusagen kaum Kontraindikationen. Vielleicht sollte man als Sprachpolizist den Hepp nur lesen, wenn der Korrekturstift gerade ausgetrocknet ist. Aber Sprachpolizisten müssen ja sowieso erst einmal den ganzen Thomas Mann abarbeiten. Wer soll also Hepp-Bücher lesen? Ein Hepp-Buch ist ein Roman, ein Lehrbuch, ein Ratgeber, ein Humorbuch, ein Krimi, ein Erfahrungsbericht – das hängt viel weniger mit dem Buch selbst zusammen als mit dem Anspruch, mit dem man das Buch aufschlägt.

5. Was hat Sie dazu bewogen, humorvolle Geschichten über schwere Themen zu schreiben?

Es gibt schon genügend traurige, bestürzende und zu Recht schwere Bücher über  belastende Themen. Dass ich eine Ausbildung in Provokativer Therapie gemacht habe, hat es mir leider - oder vielleicht eher zum Glück - verunmöglicht, ein weiteres schweres Buch hinzuzufügen.  Aber ganz im Ernst: Die Hepp-Bücher sind ja nicht einfach „Easy Reading“. Die Botschaft, dass es Kinder und Jugendliche gibt, die einen unglaublich schweren Rucksack herumschleppen müssen, bleibt ja dieselbe; auch Humor kann dorthin gehen, wo es weh tut, und es ist noch nicht einmal garantiert, dass das Schwere damit leichter zu ertragen ist. Andererseits: Wenn man als Kinder- und Jugendpsychiater keinen Humor hat und verwendet, sitzt man nach vier Wochen in einer leeren Praxis und wundert sich, dass die Kinder die Straßenseite wechseln, wenn sie einem begegnen. Kinder- und Jugendpsychiatrie ist neben dem ganzen Elend und Leid und allem, was da an Bestürzendem und Erschütterndem zutage tritt, einfach auch ein sehr vielseitiges und sehr, sehr häufig auch unglaublich humorreiches Fach.

6. Ihr Schreibstil wurde von der Schweizerischen Ärztezeitung als "literarisierte Mündlichkeit" bezeichnet, der „Sonntag“ schreibt von einer stilistischen Ähnlichkeit Ihrer Bücher mit denen von Wolf Haas. Wie würden Sie die Sprache der Hepp-Bücher beschreiben?

Kann man das besser beschreiben als „literarisierte Mündlichkeit“? Bevor ich das gelesen hatte, habe ich selbst nicht so recht verstanden, wie diese Hepp-Bücher geschrieben sind. Ich wusste nur, im Deutsch-Leistungskurs und im Germanistik-Studium hatte ich das so nicht gelernt. Ich wusste nicht einmal genau, wer da eigentlich die Geschichte erzählt (bis es ein Germanistik-Professor seinen Studenten erklärt hat, es sei der Leser selbst, der sich die Geschichte erzählt aber ich bin immer noch nicht ganz sicher, ob das stimmt). Ein Problem von Literatur ist: So wie „korrekt geschriebene“ Bücher geschrieben sind, redet kein Mensch. Und so denken wir auch nicht. Ein Beispiel: In einem ordentlichen Buch steht: „Denn es ging ihm wider die Natur, eine Frage einfach unbeantwortet zu lassen.“ Schön geschrieben, aber ganz ehrlich, so denkt und spricht doch kein Mensch. Beim Hepp würde das vielleicht heißen: „Weil das war jetzt schon nicht die Sache vom Hepp, auf eine Frage einfach nicht zu antworten.“
Denken Sie mal drüber nach, wie Sie das einem anderen erklären würden. Also ob eher „wider die Natur“ oder „nicht die Sache vom Hepp“. Weil das hilft meistens am besten, wenn man es mit sich selber vergleicht und nicht mit dem, was andere denken. Also zum Beispiel Deutschlehrer.

 

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